15. Jun, 2022

Kausalität ist „out“ – die Frage Wozu ist „in“!

„Wenn du wissen willst, was du willst, dann schaue was du tust und was das Ergebnis davon ist!“

Alfred Adler

Bevor ich dich in die tiefen psychologischen Abgründe meines Seelenlebens mitnehmen, gibt es noch einige wissenswerte und spannende Konzepte der Individualpsychologie. Ein elementares Konzept ist die Annahme, aus welchen Beweggründen wir uns überhaupt bewegen, ob physisch oder geistig. Im Zeitalter des genetischen Denkens (S. Blogverlauf) lag der Fokus auf der Kausalität, also Ursachen-, sowie problem- und vergangenheitsbezogen. Also weil meine Mutter mir ihre „charakterlichen Gene“ vererbt hat, bin ich auch so geworden. Wie ich schon erwähnte, findet sich so immer einen Schuldigen (im Beispiel meine Mutter) und eine Veränderung der Situation ist bereits im Denken unglaublich schwierig (Wie sollte ich es mit dieser Voraussetzung/Genen je anders schaffen).

Durch die neue Hypothese von Alfred Adler, dass wir zum grössten Teil durch Prägung und unsere eigene kreative Auswahl uns entwickeln, eröffnet sich eine neue Denkweise: das Wozu. Alle unser physischen und psychischen Bewegungen benötigen Energie und all diese Energie wird aufgewendet, um ein Ziel zu erreichen. Wenn ich den Arm anhebe, ist das Ziel mich zu kratzen am Kopf usw., einfach so hebe ich den Arm nicht an. Alfred Adler definierte, dass alle Bewegungen zielgerichtet sind, also final ausgerichtet, wie auch zukunfts- und lösungsorientiert. Dieses für jeden Menschen individuelle und aus seiner Sicht notwendige und sinnvolle Ziel muss nicht immer dem gesunden Menschenverstand entspringen, noch für andere klar und verständlich sein. Für diese Zielgerichtetheit wenden wir sehr, sehr viel Energie auf, jede physische oder geistige Handlung bringt uns einen Vorteil, ein Ergebnis.

Wir Menschen haben Bedürfnisse, wie Hunger, Durst, Schlaf, Nähe zu anderen Menschen usw. Wenn eines dieser Bedürfnisse nicht gedeckt ist, dann kommt unser Körper in Bewegung und wendet Energie auf für diese Lücke zu schließen. Habe ich Durst, gehe ich los und fülle mir ein Glas Wasser und trinke, möchte ich Aufmerksamkeit, suche ich mir einen bekannten Menschen und erzähle ihm etwas über mich usw. Dies sind alles bewusste und klare Bedürfnisse und somit auch klare Handlungen. Da der Mensch ein soziales Wesen ist, ist eines der grundlegendsten Bedürfnisse einen Platz unter Menschen zu haben, dazu zu gehören zu einer Familie, Gruppe, Gemeinschaft und Menschheit. Alfred Adler benannte dies das Bedürfnis nach Gemeinschaftsgefühl.

Oft „verpuffen“ wir aber auch scheinbar nutzlos Energie mit von Aussen sinnlosen Handlungen. Zum Beispiel fahre ich auf der Autobahn auf der linken Spur, ich bin am Überholen von einem rechtsfahrenden Auto. Dicht hinter mir ist ein anderes Auto, sehr dicht hinter mir, dieser drängelt mich auf die Seite zu fahren. Was könnten meine Handlungen sein? Ich könnte abbremsen und Platz machen, oder schneller fahren und schneller überholen, oder einfach stoisch mein „Ding“ durchziehen, tja, je nachdem wie ich mein Lebenskonstrukt aufgebaut habe. Bis jetzt habe ich offizielle noch keine vermehrte Energie verbraucht, aber jetzt geht’s los in meinem Kopf, die Gedanken kommen in Bewegung: „hui, der hats aber eilig.“, oder: „Nur weil du einen Mercedes hast, kommst du hier nicht vorbei!“, oder: „Ich kann nicht schneller fahren, sonst riskiere ich eine Buse.“. All diese Aussagen haben zum Ziel die Welt in meinen Augen wieder zurecht zu drücken, denn ich wurde von einer anderen Person „angegriffen“ in meiner Person. Drängeln ist eine respektlose Handlung und verdrängt mich aus der erarbeiteten Position in der Gesellschaft. Das Gedankenkarussell frisst sehr viel Energie und zum Ziel hat es mein Lebenskonstrukt, den Lebensstil aus meiner Kindheit, zu bestätigen. Ist eines meiner Ziele immer zu gewinnen, wird wohl der Mercedes nicht schneller fahren dürfen. Ist einer meiner Lebensstile so, dass ich andere nicht behindern darf, nehme ich mich zurück und schere wieder auf rechts ein. Bin ich sehr korrekt und Ordnungseinhaltend, gibt es keinen Grund die Regeln zu brechen oder habe ich nicht das Recht etwas zu können bin ich wahrscheinlich gar nicht auf der Autobahn.

Die Handlungen führen immer zu einem Ziel, dieses muss aber keineswegs rational sein, sondern entsteht wiederum aus dem in der Kindheit geformten Lebensstilkonstrukt, also im Denken wie alle sein sollten. Die Aussage von Alfred Adler: „Wenn du wissen willst, was du willst, dann schaue was du tust und was das Ergebnis davon ist!“, ist unglaublich praktikabel. Immer wenn du eine energieraubende Situation erlebst, kannst du dir diese Frage selbst stellen und erfährst viel über deine Beweggründe. Also was ist das Ergebnis und Wozu habe ich dieses Ergebnis hergestellt. Je ehrlicher und offener du mit dir selbst umgehst, je eher kannst du die Erkenntnisse selbst finden. Es gibt aber auch Situationen, wo diese Selbstreflexion nicht funktioniert, da der Lebensstil eben nicht entschlüsselt werden will, sondern in vollen Zügen gelebt. Bei diesen Situationen benötigst du zur Lösung Hilfe, quasi ein drittes Auge. Dies könnte ich dir in einer Beratung gerne anbieten.

Weitere praktische Tipps und Informationen gibt es in meinem nächsten MUTig-leicht Blog

Viel Spass beim Nachdenken, liebi Grüessli Evelyn