7. Aug, 2022

Darf ich zum Tanz bitten?!?

«Der Mensch weiss viel mehr, als er versteht!» Alfred Adler

Die Sommerpause hat im Blog-Alltag länger gedauert als geplant, dafür habe ich heute keine individualpsychologischen Theorien, sondern etwas aus dem realen Leben, also aus meinem realen psychischen Leben. In vorgängigen Blogs habe ich euch die Entstehung unseres Lebensstils Konstrukts aufgezeigt und das jeder Mensch sein individuelles Konstrukt gebildet hat und danach lebt. Dies funktioniert bei den meisten einwandfrei und ohne Probleme, aber es gibt Situationen, wo wir wie in einen Strudel der Gefühle geraten. Dann geht plötzlich alles schnell, scheinbar unkontrolliert, emotional und energierauben von Statten. Oft haben wir danach ein irritierendes Gefühl von: «Was war das den jetzt gerade!».

In der Individualpsychologie ist dies ein Lebensstiltanz, das ist, wenn sich der Lebensstil sich komplett matcht mit der aktuellen Situation oder einer anderen Person. Die Situation oder die andere Person mit ihrem Lebensstil fügen sich in mein Lebenskonstrukt ein, wie Zahnräder in einem Motor und der Ablauf ist von Anfang bis zum Schluss quasi vorgegeben und spult sich ab. Genau das ist mir in den letzten Wochen gleich mehrmals passiert. Obwohl ich von diesem Lebensstiltanz gut Kenntnis habe, ich meine Lebensstile in der Ausbildung mehrfach erforscht habe und ich an meiner Gefühlslage einen beginnenden Lebensstiltanz erkennen kann, lasse ich mich doch immer wieder von der Welt «überfallen» und erkenne erst in einer späteren Betrachtung und Selbstreflexion meinen «roten Knopf», der als Auslöser für diesen Tanz aktiviert wurde.

Ich möchte euch zwei Situationen erzählen, die, wie wunder, gerade meine zwei bereits preisgegebenen Lebensstilideen betreffen😊. In einem Vorgängigen Blog habe ich diese euch bereits aufgezeigt. Nachfolgend diese nochmals zum Nachlesen inklusive meinem «roten Knopf» (Lebensstile nach H. Mosak).

«Ich hasse Routine und suche Abwechslung, Spannung, Abenteuer. Ich könnte (bin!) ein Spieler sein. Wenn das Leben monoton wird, scheue ich oft keine Mühe (Ausbildungen, Geld, Zeitaufwand), damit wieder etwas los ist. Ich brauche andere Menschen; besonders halte ich mich an solche, die für mich interessant sind, und von denen ich Spannung und Action erwarten kann.»

«Ich möchte mein Leben unter Kontrolle haben. Dem gegenüber bewege ich mich lieber in geistigen Bereichen (ich denke über vieles nach). Ich halte auf Ordnung. Von mir fordere ich, dass ich das Rechte tue, und ich stelle so hohe Erwartungen an mich, wie kein anderer. Etwas besser komme ich mir schon vor, wenn ich sehe, womit sich die anderen begnügen.»

Kurzgeschichte aus dem Leben: «Da muss doch Stimmung rein!»

Beruflich hat sich in meinem Leben in diesem Jahr einiges verändert. Ich habe mich entschlossen einfach ins Blaue zu kündigen und mich neu zu strukturieren. Nach meinem letzten Arbeitstag als Angestellte gönnte ich mir bewusst eine Zeit Ruhe, um all die bestehenden «Stimmen» in mir zu hören und bewusst wahr zu nehmen. Ich gönnte mir viel Zeit für mich, Musse und Genuss. Doch schon bald meldete sich in mir meine «Spielerlust», also einer meiner Lebensstile. In Kombination mit meinem vorgängigen und aktuellen monotonen Leben eher eine explosive Kombination. Die Ideen für mein beruflicher Werdegang begannen zu sprudeln, Vorschläge für Aufgaben wurden mir auf verschiedenen Wegen zugetragen, ob bewusst oder unbewusst. Meine begeisterte Abenteuerlust begann die Aufgaben zu sammeln wie reife Früchte. Das in mir steckende Organisationstalent sah immer Wege alles unter einen, also meinen Hut zu stecken. Und so kam es, dass ich plötzlich 6 verschiedene Jobs hatte. Es war, beziehungsweise ist wahnsinnig spannend und lehrreich, aber auch kräfte- und zeitraubend. Ich mache jeden dieser Jobs auf ihre Art gerne, da sie sehr unterschiedlich und auch verschieden anspruchsvoll sind. Aber mein Lebensstil hat mich da wirklich wieder in einen intensiven Lebensstiltanz mit meiner Lebensaufgabe Beruf hineinmanövriert. Der zündende Punkt war die Monotonie. Aus früheren Selbstreflexionen kenne ich, dass die Monotonie mich immer wieder auf solche Lebensstiltänze eingeladen hat, und teils eben sehr energieraubenden, aber natürlich auch spannenden Lebensstiltänzen. In Zukunft gilt für mich jetzt wieder die Work-Life-Balance ins Gleichgewicht bringen, trotz mehreren Jobs und den Drang nach Abenteuer, Spannung und Abwechslung, damit ich weiterhin gesund bleibe.

Und hier zum zweiten Erlebnis:

Kurzgeschichte aus dem Leben: «Verantwortung, anders geht’s gar nicht!»

In einem meiner vielen Jobs😊 werden neuem Mitarbeiter gesucht, daher begleitete mich eine Person bei der Arbeit, um in den Betrieb und unseren Ablauf zu schauen. Schon nach kurzer Zeit fühlte ich mich sehr irritiert von der Person, die mich begleitet. Die Antworten auf meine interessierten Fragen wurden widersprüchlich bezüglich des Könnens, der Ausbildung und die berufliche Erfahrung beantwortet. Daher entschied ich mich für eine direkte Frage bezüglich der Ausbildung und der Berufserfahrung und da kam der «rote Knopf»: «Ich kann und mache dies alles bereits bei meinen Kunden, habe aber die Ausbildung dazu nicht. Meine Verwandten finden, ich mache dies gut, Kunden habe ich bis dahin noch nicht gehabt.» Ja, was jetzt?!? Im weiteren Gespräch zeigte sich auch, dass von der Person her auch kein Verständnis für eine nötige Ausbildung dafür bestehe, da die Skills ja bereits vorhanden seien. Daraufhin regte sich mein Gefühlsmotor und um kein Unrecht zu begehen, hinterfragte ich mehrmals diese Aussagen und Einstellungen. Diese ist das pure Gegenteil von meinen Ansichten auf «Recht und Ordnung» und eben Verantwortung gegenüber mir und meinen Kunden, wenn kommerzielle Dienstleistung angeboten wird. Meine Gefühlslage schnellte sehr schnell auf Empörung, Ärger und Genervtheit empor, leider wurden dadurch meine Fragen und Offenheit, gegenüber der Person, nicht rationaler und sachlicher. Das Fazit ist, wir wurden nicht Freunde und ich konnte mir eine Zusammenarbeit überhaupt nicht vorstellen. Zum Glück für mich und mein Gefühlsleben, entschied mein dortiger Arbeitgeber sich, unabhängig von meiner Meinung, gegen eine Anstellung, so wird mir mein «roter Knopf» nicht tagtäglich vor Augen geführt. Dies Kurze Zeit von 1.5 Stunden waren schon sehr energieraubend für mich. Für mich war es aber wieder einmal eindrücklich, wie schnell und direkt meine wunden Punkte gedrückt und was für eine Energie, auch wenn sie negativ ist, da freigesetzt wird. Je bewusster mir dieser «rote Knopf» wird, je eher erkenne ich ihn und kann mich dann frei entscheiden, ob er auch ausgelöst werden kann. Aber tja, manchmal macht’s halt das Leben einfach😊.

Wie Alfred Adler in seinem Zitat äussert, ich kenne meine wunden Punkte, ich bin mir diese sehr bewusst. Und doch verstehe ich nicht, wie ich immer wieder darauf hereinfalle. Wie der Motor immer wieder in Sekunden auf Hochtouren auffahren kann und nur mit Mühe wieder abgekühlt wird. Kennst du auch solche Situationen, solche Lebensstiltänze? Hast du den «roten Knopf», also das «darf ich bitten?» schon gefunden? Denn nur wenn du den Auslöser kennst, kannst du dein Leben etwas leichter machen und evtl. nicht immer darauf einsteigen.

In diesem Sinn: viel Spass beim Nachdenken.

liebi Grüessli Evelyn